Frauen sind keine Lokführer
Wer fühlt sich angesprochen, wenn in Stellenanzeigen von „(m/w/d)“ die Rede ist? Eine Studie hat das nun untersucht.
Ein Hoch auf die Wissenschaft! Ganz grundsätzlich und besonders dann, wenn sie dich in deiner Kritik an etwas bestätigt. Zum Beispiel an der Praxis, in Stellenanzeigen die Berufsbezeichnung nach dem Schema „Generisches Maskulinum (m/w/d)“ anzugeben. Am Stuttgarter Hauptbahnhof etwa werden „Lokführer (m/w/d)“ gesucht; auf Handwerksautos prangt das Schema auch gern.
Wo überall sonst noch auf diese traurige Weise um Mitarbeiter*innen geworben wird, will man vielleicht gar nicht so genau wissen, zeigt aber die Jobbörse Stepstone. Aktuell sind dort über 169.000 Stellen mit „(m/w/d)“ versehen. Böse Zungen sagen, es stehe für „männlich/weiß/deutsch“. Tatsächlich steht es für „männlich/weiblich/divers“ und soll anzeigen, dass nicht nur Männer gemeint sind. Auch Frauen und Menschen, die nicht in die Ausschließlichkeit des binären Mann-oder-Frau-Denkens passen, sollen so adressiert werden. Das rechtssichere „Lokführer (m/w/d)“ will erreichen, was „Lokführer*in“ sehr viel eleganter schafft. Nur hat das eben einen Genderstern – und den fürchten manche ja wie Dracula das Licht der Sonne.
Eigentlich aber ist „Lokführer (m/w/d)“ im Deutschen ein Widerspruch, ein umständlich formulierter obendrein. Auch durch den Zusatz „(m/w/d)“ bleibt die Berufsbezeichnung „Lokführer“ eine männliche. Sprachlich werden alle, die keine Männer sind, auf die Buchstaben „w“ und „d“ reduziert und damit, wieder einmal, unsichtbar gemacht. Hier zwar nicht völlig, aber doch ziemlich.
Ein Nebeneffekt ist, dass Berufe, die in der gesellschaftlichen Wahrnehmung traditionell mit Männern verbunden sind, das auch bleiben werden, weil Lösungen wie „Lokführer (m/w/d)“ solche Vorstellungen kaum aufbrechen. Vor allem aber dürften sich Frauen und nicht-binäre Menschen von so betitelten, in erster Linie Männer direkt adressierenden und alle anderen nur mitmeinenden Stellenausschreibungen wenig angesprochen fühlen.
Maskulinum und Firmenkultur
Eine Studie hat diese Annahme nun in der Tat wissenschaftlich unterfüttert, zumindest im Hinblick auf Frauen. In ihrer diesen August veröffentlichten Big-Data-Untersuchung „Effects of gender sensitive language in job listings: A study on real-life user interaction“ haben die Linguisten Dominik Hetjens und Stefan Hartmann festgestellt, dass Stepstone-Nutzerinnen häufiger auf Ausschreibungen klicken, wenn in der Berufsbezeichnung auch die weibliche Form stattfindet, wenn geschlechterinklusiv formuliert wird. „The use of generic masculine forms with an addition like (m/w/d) correlates with the smallest proportion of views by users who identify as female“, schreiben Hetjens und Hartmann.
Wobei es Sterne, Doppelpunkte oder Unterstriche dafür gar nicht zwingend braucht. Auch das, aus heutiger Sicht weniger optimale, Binnen-I („LokführerInnen“) führt zu mehr Klicks von Frauen. Frauen klicken laut der Studie nämlich eher dann auf Anzeigen, wenn das die weibliche Form anzeigende Suffix „-in“ (beziehungsweise „-innen“) in der Berufsbezeichnung explizit zu sehen ist. Schau mal eine*r an! Gleich an die Tür nageln möchte man das Arbeitgeber*innen, die sich wundern, warum sich so wenige Frauen bei ihnen bewerben. Vielleicht liegt es nicht zuletzt am generischen Maskulinum, das, nebenbei und mit aller Vorsicht bemerkt, auch Rückschlüsse auf die Firmenkultur zulassen mag.
Sicher, die Autoren der Studie betonen, dass es weiterer Forschung bedarf, zur Absicherung und Vertiefung der Erkenntnisse. Völlig richtig. Trotzdem darf man sich schon jetzt über das Fazit der Studie freuen und über „Lokführer (m/w/d)“ noch energischer den Kopf schütteln, als man es eh schon getan hat. ◆
Tags: Geschlechterinklusive Sprache
Auf vliestext geht es um Kultur und Gesellschaft. Folgen kann man zum Beispiel auf Instagram und per Newsletter:
Zum Autor
Oliver Pöttgen (er/ihm) dankt dem österreichischen Moment Magazin und dessen Newsletter Die Gute Woche, über den Oliver von der Studie erfuhr.
Klingelbeutel
Texte wachsen nicht nur aus Liebe. Es braucht auch Geld. Wer vliestext welches geben will, wirft was in den Klingelbeutel. Der kann PayPal und Ko-fi:
Ähnliches auf vliestext
Auf vliestext geht es um Kultur und Gesellschaft. Folgen kann man zum Beispiel auf Instagram und per Newsletter: