Finish them! Nicht-binäre Figur in „Mortal Kombat 1“ erzürnt Rechte und Maskulinisten
Bald erscheint das Videospiel „Mortal Kombat 1“. Die Fighting-Game-Reihe könnte eine Neuerung bereithalten, die Rechte, Maskulinisten und Fanatiker geschlechtlicher Binarität fuchsteufelswild macht.
Sehr haltlosen, aber hochbrisanten Gerüchten zufolge, gestreut vom Reddit-Veteranen NeckarRekka, glänzt das bald erscheinende Videospiel Mortal Kombat 1 mit nicht-binären Spielfiguren. Mit Figuren also, die seitens der Entwickler*innen nicht als „männlich“ oder „weiblich“ kategorisiert und gestaltet sind.
Eine dieser Figuren heiße „Koda“ und sei ein, wie es in der durchs Englische geprägten Fighting-Game-Sprache heißt, rushdown character. Das sind Figuren, die so blitzschnell und stürmisch an Lebensbalken knabbern wie Eichhörnchen an Nüssen. Vermutlich werde Koda aber nicht von Beginn an zum Ensemble von Mortal Kombat 1 gehören, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt herunterladbar sein, wie möglicherweise auch weitere nicht-binär angelegte Charaktere, munkelt NeckarRekka.
Eine nicht-binäre Spielfigur wäre eine große Premiere für die seit 30 Jahren laufende Mortal-Kombat-Reihe. Sie ist berühmt für ihre zwei binär gegenderten calls-to-action „Finish him!“ und „Finish her!“, die Spieler*innen zum Ende einer Partie die Möglichkeit geben, die gegnerische Spielfigur pompös zu massakrieren („Fatality“), sollte diese zuvor nicht schon beiläufig massakriert worden sein („Brutality“). Freilich, Nichtstun oder „Friendships“ sind dann ebenfalls möglich, bekannt ist die Reihe aber vor allem für ihre weniger freundlichen Handlungsoptionen.
Cry me a bloody river
Mit einer nicht-binären Figur muss es jedenfalls auch den call-to-action „Finish them!“ geben. „They/them“ sind, neben anderen, im Englischen Pronomen für nicht-binäre Menschen und nicht-binäre fiktionale Charaktere. Dass dazu bald auch Figuren der grausig harten Mortal-Kombat-Welt zählen könnten, ist ein aufregender Gedanke. Endlich, Geschlechtergerechtigkeit! Nicht im wahren Leben, aber im blutigen Videospiel-Tod. Fortschritt, oder? Vielleicht matters die representation auch hier.
Es überrascht ganz und gar nicht, dass Rechte, Maskulinisten und radikale Anhänger geschlechtlicher Binarität wegen dieser Gerüchte am Rad drehen. „They are losing their shit!“, schrieb eine Nutzerin der Social-Media-Plattform Bluesky in einem mittlerweile gelöschten Beitrag. Weil sie zu den brutalsten Franchises der Videospiele-Industrie zählt, ist die Mortal-Kombat-Reihe auf der rechten Seite des politischen Spektrums außerordentlich beliebt. Und bei allen, für die es nie ein Zuviel an Gewalt in Unterhaltungsprodukten geben kann.
Womöglich zählt dazu auch Ron DeSantis: Manche raunen, der dem Faschismus zuneigende US-Präsidentschaftskandidat sei ein riesiger Mortal-Kombat-Fan, obwohl er in Online-Matches meist plattgemacht werde. DeSantis, dessen Lieblingsfigur der Donnergott Raiden und dessen Online-Alias „Ronald Raiden“ sei, verehre den Fatalismus der Mortal-Kombat-Spiele und ihre sozialdarwinistische Klarheit.
Klarheit liegt allerdings auch in dem, was Tonya Shade sagt. Tonya Shade hat früher, nach eigener Auskunft, das Motion Capture für die Mortal-Kombat-Ikone Sonya Blade gemacht und gibt an, dem Entwickler NetherRealm Studios auch heute noch verbunden zu sein. Das Unternehmen verantwortet die Welt von Mortal Kombat und ist eine der versiertesten Schmieden von Gewalt in Videospielen. Den Fans sagt Tonya Shade: „Hinsichtlich Hyper-Gewalt mag Mortal Kombat fast jede Grenze überschreiten, die es gibt — und wird es auch in Zukunft tun, da könnt ihr sicher sein! Eine andere Grenze wird Mortal Kombat aber fortan achten: die der inklusiven Geschlechtergerechtigkeit. Nicht-binäre Figuren wie Koda kommen, um zu bleiben. Gewöhnt euch daran. Und, bei der Gelegenheit: Gewöhnt euch besser auch an alte und dicke Frauenkörper in Fighting Games. Die kommen nämlich auch.“
Damit stellt Tonya Shade nicht nur Wünschenswertes in Aussicht, sondern verpasst den Fanatikern und Fanatikerinnen der Geschlechterbinarität einen Fatality, der sich gewaschen hat. Finish them, in der Tat. ◆
Hinweis des Autors
Dieser Text ist eine Satire und in großen Teilen fiktiv. Hier und da ist er aber wahr. Sehr wahr. Die meisten Anspielungen sind hoffentlich aus dem Text heraus verständlich. Beim Namen des erfundenen Reddit-Users „NeckarRekka“ ist es gut zu wissen, dass „Rekka“ für eine bestimmte Sorte von special moves in Fighting Games steht. Das im Text genannte Spiel Mortal Kombat 1 ist, trotz des Titels, der neueste Teil der 1992 gestarteten Mortal-Kombat-Reihe und erscheint am 19. September 2023.
Auf vliestext geht es um Kultur und Gesellschaft. Folgen kann man zum Beispiel auf Instagram und per Newsletter:
Zum Autor
Oliver Pöttgen (er/ihm) spielt Fighting Games besonders gern. Zuletzt hat er viel Mortal Kombat 11 gespielt, weil er dessen Spieltiefe und Atmosphäre schätzt. Auf die voyeuristische Darstellung extremer Gewalt hätte er allerdings gut verzichten können.
Klingelbeutel
Texte wachsen nicht nur aus Liebe. Es braucht auch Geld. Wer vliestext welches geben will, wirft was in den Klingelbeutel. Der kann PayPal und Ko-fi:
Ähnliches auf vliestext
Auf vliestext geht es um Kultur und Gesellschaft. Folgen kann man zum Beispiel auf Instagram und per Newsletter: