Lang lebe die König*in
Bei manchen Wörtern spürt man besonders, wie tradierte Vorstellungen von geschlechtsgebundener Macht zerbrechen, wenn sie mit Sonderzeichen entgendert werden. Eine Notiz zu „Monarch*innen“.
Text anhören (vom Autor vorgelesen):
Im neuen Text Lieblingsdeutschland gibt es eine Stelle, bei der ich wieder ein kleines Aha-Erlebnis hinsichtlich geschlechterinklusiver Sprache hatte – besonders hinsichtlich des Entgenderns mit Sonderzeichen, wie dem Sternchen:
„Es hätte ja einen gewissen Witz, würden Privatleute ihre Häuser und Hütten nur dann beflaggen, wenn sie auch vor Ort wären, als Präsenzanzeiger; wie es etwa bei britischen Monarch*innen der Fall ist, wenn sie auf ihren Schlössern sind. Aber müssen es dafür gleich Nationalflaggen sein, sind eigene, persönliche nicht besser?“
„Monarch*innen“ hatte ich so noch nie gelesen oder gehört. Wohl deswegen, weil es aus einem Begriffsfeld stammt, das im Alltag eher selten berührt wird, anders als z. B. „Arbeiter*innen“. Und wohl auch deswegen, weil viele die Vorstellung, dass ein Mensch, der nicht „Mann“ oder „Frau“ und zeitgleich Monarch*in eines (christlich geprägten) Landes ist, als besonders herausfordernd empfinden dürften. Man stelle sich etwa vor, eines der Kinder von Prinz William und Prinzessin Kate ist genderfluid und kommuniziert das irgendwann auch offen. Ich fände das sehr toll, andere hingegen wären dann wohl kurz vorm Attentat.
Die westliche Monarchie-Idee hängt eng mit Glaubenskonzepten des Christentums zusammen und dementsprechend wesentlich ist für die monarchische Welt die christliche Idee der Geschlechterbinarität: Es gibt nichts, wird behauptet, außer „Mann“ und „Frau“. Also nur „König“ oder „Königin“, nicht „König*in“. Und ich vermute, nicht nur eine König*in hätte es schwer: Vielen dürfte, könnten sie wählen, ein König nach wie vor lieber sein als eine Königin.
Jedenfalls war es ein schönes Gefühl, „Monarch*innen“ zu schreiben. Man spürt hier förmlich, wie historisch gewachsene Vorstellungen von geschlechtsgebundener Macht aufbrechen, wie das Sternchen zum Sägeblatt wird, das neue Welten des Vorstellbaren freischneidet und patriarchale Besitzstände beschneidet. Ähnliche Beispiele hierfür sind „Römer*innen“ oder „Wikinger*innen“. Viele bekämpfen geschlechterinklusive Sprache genau deswegen – weil sie dazu beiträgt, gesellschaftliche Machtordnungen zu ändern, indem sie die Binärisierung der Geschlechter und das Maskulinum als sprachlichen Normalzustand ablöst.
Wenn wir Monarchien und all das Klimbim darum noch eine Weile ertragen müssen, wäre es zumindest ein Fortschritt, auch nicht-binäre Menschen als Monarch*innen zu haben. ◆
Tags: Geschlechterinklusive Sprache // Literatur
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Zum Autor
Oliver Pöttgen (er/ihm) ist fasziniert davon, wie viel Macht etwas hat und wie viel Hass etwas hervorruft, das „Sternchen“ heißt.
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