Die Wut, die schreibt: Mareike Fallwickl in Stuttgart
Mareike Fallwickl las in der Stuttgarter Stadtbibliothek aus ihrem Roman „Die Wut, die bleibt“. Einige Notizen dazu, und eine Hoffnung.
Text anhören (vom Autor vorgelesen):
Die Wut, die bleibt von Mareike Fallwickl ist einer der besten Romane, die ich je gelesen habe und bisher mein Buch des Jahres. Seine Geschichte über die Last der Mutterschaft, über Geschlechterrollen und Care-Arbeit in einer männerbegünstigenden Welt ist literarisch fesselnd und von hoher gesellschaftlicher Aktualität. Wer verstehen will, worum es im Feminismus geht, sollte Die Wut, die bleibt lesen.
Am 5. Oktober las Mareike Fallwickl daraus in der Stuttgarter Stadtbibliothek. Es war eine thematisch intensive, dennoch angenehm kurzweilige Lesung, moderiert von Journalist und Autor Frank Rudkoffsky. Er ist mit Fallwickl befreundet und hat kürzlich mit Mittnachtstraße einen Roman geschrieben, der ähnliche Themen verhandelt wie Die Wut, die bleibt. Die persönliche und thematische Nähe tat dem Gespräch gut. Rudkoffsky ließ Fallwickl viel Raum, den sie auch dafür nutzte, anschaulich und, trotz allem, mit Witz über die gesellschaftlichen Strukturen, Missstände und Ungerechtigkeiten zu sprechen, aus denen sich ihr Roman speist.
Sie erzählte auch von ihren Lesungen in Schulen und wie informiert heutige Schüler*innen hinsichtlich der Themen des Buchs oft sind. Ebenso zur Sprache kamen die maßgeblich von Frauen getragenen Proteste in Iran. Hierfür bietet im Buch besonders die Figur Lola, eine sich radikalisierende Teenagerin, Anknüpfungspunkte. Sich vorzustellen, wie iranische Frauen Die Wut, die bleibt wahrnehmen könnten, ist sehr reizvoll.
Hoffentlich ein Welterfolg
Außer mir besuchten noch einige weitere männlich lesbare Menschen die Lesung. Sie dürften erfreut gewesen sein, zu hören, wenn sie es nicht eh schon wussten, dass Feminismus für sie gleichsam eine Befreiung sein kann, weil er auch Männer von geschlechtlichen Rollenerwartungen entkoppelt. An der Figur Johannes, ein Familienvater, der plötzlich ohne Frau und damit ohne Care-Arbeiterin für drei Kinder dasteht, zeigt Fallwickl, wie sehr auch Männer Leidtragende einer Gesellschaftsordnung sind, die durch Patriarchat und Kapitalismus geprägt ist.
Nach dieser sehr anregenden Lesung musste ich wieder an eine Hoffnung denken, die schon während des Lesens des Buchs aufkam: Es ist diesem so wichtigen Roman und seiner Autorin Mareike Fallwickl zu wünschen, dass er in viele Sprachen übersetzt und zu einem Welterfolg wird. Die Wut, die bleibt hätte es sehr verdient.
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Zum Autor
Oliver Pöttgen (er/ihm) hat dieses und letztes Jahr vor allem nicht-männliche Autor*innen gelesen. Er ist kein Vater, glaubt aber dank Die Wut, die bleibt besser verstanden zu haben, was „gute“ Vaterschaft ausmacht.
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